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Kunst und Künstler

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Installation in der Gedenkstätte Pax-Christikirche in Essen: “DEN NAMEN EIN GESICHT GEBEN”

© Hildegund Rißler

Hildegund Rißler

Kunst und Künstler

oder

Die Katze im Sack

von Hildegund Rißler

Vortrag aus Anlass des VI. Kulturforums der

GEDOK Rhein-Main Taunus

am 28./29.04.2001

Mainz

Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen,

ich weiß heute nicht mehr recht, wie es kam, dass ich dem Ansinnen unserer lieben Margarete Sorg, ich solle hier ein paar Gedanken zum Thema “Kunst und Künstler” vortragen, dass ich damals nicht heftig genug widersprochen habe. Sie wissen ja zur Genüge, wie so etwas dann gewöhnlich ausgeht.

Dazu kommt  noch, dass sie voll Vertrauen zu mir ist und gar nicht weiß, was uns erwartet. Sie hat zugelassen, dass ich eine Katze im Sack mitbringe.

Seien Sie also gnädig mit mir und mit ihr!

Nun zum Thema von der Kunst und vom Künstler. Wenn man an all die wund geschriebenen Finger und verdrehten Köpfe denkt, die sich zu diesem Thema ausgelassen haben, könnte einen fast der Mut verlassen. Aber wir alle hier sind sozusagen Betroffene. Ach Gott! Höre ich sagen. Was ist Kunst?

Wir selber stellen uns diese Frage ehrlich gesagt nur hie und da, wahrscheinlich am ehesten, wenn wir selber gefragt werden.

Aber es gibt ja Bücher, Dissertationen und unzählige Vorträge kluger Leute, die sich von Amts wegen darüber die Köpfe zerbrochen haben. Was das Lexikon darüber kleingeduckt ausspuckt, schenke ich uns lieber.

Bei Andreas Mäckler (ISBN 3-7701-5420-7, DuMont, 2000) kann man 1460 Antworten auf die Frage “Was ist Kunst” erhalten. Er hat die Antworten 12  Themen zugeordnet, z.B.

          Kunst – Kenntnis – Technik,
          Kunst und Natur,
          Kunst und Wissenschaft,
          Kunst und Religion,
          Gesellschaft und Kreativität,
          Kunst und Politik,
          Kunst, ein Spiel,
          usw.

Die berühmteste Antwort lässt uns wahrscheinlich alle nach Luft schnappen. “Kunst kommt von Können.” Auch bei Mäckler steht diese These an erster Stelle.

Fragen wir nun gleich weiter. Was heißt Können?

Ein nettes Beispiel: Vor ein paar Jahren wurde ich gefragt: “Kannst Du auch ein Warzenschwein?” Nach eingehender Betrachtung meiner Finanzen und nach dem Studium unzähliger Tierbücher und dem Sichten vieler Tierfilme konnte ich es. Das heißt: Dieses witzige Tier kannte ich nun. Dass das, was nach intensiver Arbeit dabei herauskam, auch offensichtlich Kunst war, das bestätigte dem Auftraggeber ein anerkannter Kunsthistoriker.

Inzwischen bin ich auch gefragt worden: Kannst Du auch afrikanische Savannenelefanten. Ich konnte .... auch diese Tiergruppe wurde abgesegnet.

Und Sie werden es nicht glauben: Eine Araberstute steht schon – als Auftrag –vor der Tür.

Da fällt uns gleich ein Sprichwort ein, welches wahrscheinlich auf Johann Nestroy zurückgeht: “Kunst ist, was man nicht kann. Denn wenn man’s kann, ist es keine Kunst mehr.

Das hab ich nun davon!

Zurück zu Andreas Mäklers Antworten. Unter dem Kapitel “Kenntnis, Technik, Meisterschaft” gibt es natürlich These und Antithese, wie z.B.: “Kunst ist lehrbar” und die Antithese ”Kunst ist nicht erlernbar! Denn ohne Begabung und Genie...”

Da fällt das folgenschwere Wort: “Genie”. Vom Genius berührt, ja geküsst, ein großes Werk vollenden. Ein Traum oder ein Alptraum? Was ist der Preis?

Also zurück zur Erde und zu neuen Thesen: “Kunst ist Mathematik”, sagte Jawlenski. “Kunst ist eine wertvolle Zeitverschwendung”, sagte Les Levine 1935. Sehr sympathisch! “Kunst ist sinnliche Gestalt”, “Kunst ist Gestaltung des Gestaltlosen”.

Über alles ließe sich trefflich diskutieren. Aber es gibt noch mehr Zitate, um uns weiter zu verwirren.

Lucius Annaens Seneca (ca. 4 v. Chr. – 65 n Chr.) sagte: “Alle Kunst ist Nachahmung der Natur”.

Goethe setzte fort: “Kunst ist erarbeitete Natur”.

Dagegen die nächste Antwort, von Julius Langbehn (Kulturkritiker 1851 – 1907): “Ein bloßer Abklatsch der Natur”.

Picasso sagt dazu: “Ob er will oder nicht. Der Mensch ist das Instrument der Natur. Man kann der Natur nicht widerstehen. Wir können wohl gewisse Freiheiten erlauben, jedoch nur im Detail.”

Und Kahil Gibran gibt uns Flügel: “Kunst ist ein Schritt von der Natur zur Unendlichkeit”.

In den weiteren Kapiteln seiner Antworten geht es um Kunst als Spiegel der Seele, als Spiegel der Zeit, um Kunst als Mittel zur Erkenntnis und Orientierung in dieser Welt, auch im Konkurrenzkampf mit der Wissenschaft.

Es heißt aber auch: “Die Kunst ist keine Angelegenheit des Spekulation des grübelnden Denkens der Wissenschaft, sondern des Empfindens, vermittelt durch die Sinne.

Endlich kommen die Sinne ins Spiel.

Weiter geht’s:

“Kunst ist Philosophie des Konkreten”  -  (Klingt einfach gut!)

“Kunst ist objektiv”

“Sie ist wahr”

“Sie lebt von der Wirklichkeit, Wesen enthüllend”

“Kunst ist Fiktion”

“Kunst ist im Klassizismus die Nachahmung des Schönen”

“Vorsicht”, warnt Lilli Fischer “Kunst ist etwas, was – zur Tapete passt”.

Und natürlich Karl Valentin: “Kunst ist ja ganz schön, macht aber viel Arbeit”.

Wieder auf den Pfad der Ernsthaftigkeit: “Kunst ist das Ideal einer bestimmten Idee”.

Kurt Schwitters kontert aber auch: “Ja, ja, Kunst ist Mode”. “Kunst ist Konsumware”.

Werner Hillmann (Galerist, 1953) sagt: “Aber mit Seele!” (Danke, Herr Hillmann)

Denn hier liegt ein wunder Punkt für uns bildende Künstler. Wenn unsere Arbeiten zur Dekoration gebraucht werden. Kunst fürs Heim, Kunst am Bau, als Leitidee, für die zur Not gerade noch 5 % der Bausumme, besser noch von Sponsoren (wegen der kleinen Bronzetäfelchen, Sie wissen schon, am Sockel), aufgebracht werden.

Kunst als Prestigeobjekte? Das Schlimme nur ist, wir leben davon.

Aber das heißt auch Auseinandersetzung, z.B. ganz einfach, wenn man beim Aufstellen einer Gartenplastik, vorsichtig aber doch konsequent, unliebsame Konkurrenz wie teure Bronzeflamingos, Keramikfrösche oder gar die Venus von Milo im handlichen Format außer Sichtweite bringt.

Ein breites Kapitel nimmt natürlich das Thema Kunst in Bezug zur Religion und zum Schöpfertum ein. Da geht es hochtrabend her, z. B., “Kunst ist Religion” oder “Die Kunst ist Mittlerin zwischen Gott und unserer Seele” usw.

Was die Gesellschaft seit Menschengedenken von der Kunst hält, das bringt uns Ernst Fischer (Schriftsteller, 1899/1972) so nahe: “Kunst wird vom Menschen für Menschen gemacht, ist also ein gesellschaftliches Phänomen”.

Beuys sagt abstrahierend: “Kunst – Mensch”

Kunst ist eine gesellschaftliche Tätigkeit, ein gesellschaftlicher Vorgang, und jede Gesellschaft hat ihren eigenen Kunstbegriff.

Sogleich kommen wir zu der für Künstler mehr als zwiespältigen Sache Kunst und Politik. Nicht selten wird die Kunst thematisch beeinflusst oder gar abhängig gemacht.

Aber: Die Staatskunst ist für Historiker bei der Untersuchung der Frühzeit oft die wichtigste Quelle ihrer Information.

“Die Kunst ist von Natur aus frei”, sagt Isidor v. Spanien, ein Bischof um 600 n. Chr.

Und heute, noch einmal Beuys: “ Kunst = Mensch = Kreativität = Freiheit”

Böll, noch radikaler: “Kunst ist Anarchie, Kunst ist Waffe, sie ist Revolte”

Viele große Worte!

Aber das, was uns Künstler mindestens genau so berührt, wenn nicht noch mehr, wird im Kapitel “Kunst = ein Spiel mit ernsten Problemen” behandelt.

1836 verkündet Victor Cousins die These: “L’art pour l’art.” Damit strebt die Kunst weg von Zweckanlässen, der großen Freiheit entgegen. Es wird schwieriger, von einem Artefakt zu sagen: „Das ist Kunst“.

Das letzte Kapitel stellt dann auch die Frage: Ist die Kunst am Ende? Der Autor kommt nach einigen Überlegungen zu dem Schluss, dass Kultur in ihren Teilgebieten nicht zu definieren ist, also auch nicht Kunst.

Und daher kann es auch keine Regeln geben, wie ein Kunstwerk beschaffen sein muss.

Karl Kraus bringt es noch einmal auf den Punkt: “Kunst ist etwas, was so klar ist, dass es niemand versteht”.

Da wären wir nun angekommen. Die Katze ist halb aus dem Sack und fragt man sie, ob sie nun klüger geworden ist, so wird sie wahrscheinlich antworten:

“Na ja, einerseits ........aber, andererseits
 

Und nun der zweite Part:

Jetzt will ich die Katze ganz aus dem Sack locken und einen Spot auf den Menschen richten, der die Kunst produziert, den Künstler bzw. die Künstlerin.

Dabei gilt es hier speziell, aus dem Nähkästchen der bildenden Künstler zu plaudern.

Auch unser Weg ist mit Steinen gepflastert. Große Worte helfen uns wenig.

Nach wie vor ist es sinnvoll, wenn eine handwerkliche Ausbildung unserem künstlerischen Schaffen eine solide Basis gibt. Die Kenntnis von Werkstoffen und deren Verarbeitungsmöglichkeiten ist wichtig. Denn selbst Papier ist für uns nicht geduldig.

Museumsleute haben häufig Konservierungsprobleme mit modernen Artefakten, aber die Freiheit der Kunst und die großartige Auswahl an Werkstoffen ist für unsere Experimentierfreudigkeit geradezu herausfordernd.

Nur bei Auftragsarbeiten müssen wir uns ein Korsett anlegen. Wer tut das schon gern?

Aber wenn wir berücksichtigen, wem man alles mit einem gelungenen Werk Freude machen kann, dann scheuen wir auch keine Arbeit. Denken wir dabei nur an den eigenen Geldbeutel, das Finanzamt, die Liebhaber, den Auftraggeber mit seinem Umfeld, die Journalisten, die Kunstkritiker bzw. Kunsthistoriker.

Letztere, mit denen uns eine gewisse Hass-Liebe verbindet, haben ja erst durch uns ihre wahre Lebensaufgabe gefunden, nämlich uns zu durchschauen und uns mit sibyllinischer Spitzfindigkeit zu interpretieren, um uns nach genauer Bestimmung in ihrer Botanisiertrommel einem Schublädchen zuordnen zu können.

Manche profitieren auch von uns - und wir von ihnen – besonders dann, wenn sie gleichzeitig Galeristen oder Museumsleute sind. Die einen bekommen ihr Dankeschön in Form von 30 % bis 50 % des Erlöses und die Museen sind immer dankbar für Schenkungen oder für Preisnachlässe. In diesem Fall sind wir bildenden Künstler meist großzügig. Das gebietet uns schon unsere sprichwörtliche Freigiebigkeit oder ist es nur – ich wage es kaum auszusprechen – unsere Eitelkeit, unser Ego. Angeblich haben wir mehr davon als andere Menschen. Jedoch ist das Thema so explosiv, dass ich es besser ruhen lasse.

Zu unserer Ehrenrettung möchte ich aber hinzufügen, dass selbst, wenn unsere Namen , also unsere Personen, anonym blieben und hinter dem Werk zurückzutreten hätten, wir dennoch weiterarbeiten würden.

Und ein Zweites: Wenn die Malerei und das plastische Formen noch so tot geredet werden. Wir können nicht anders, weil es uns – und das kann ein Theoretiker nicht begreifen – unglaublichen Spaß macht, mit Farben, Ton, Holz, Papier, Wachs usw. zu formen. Einen schmiegsamen Klumpen Ton in den Händen zu haben und ihm Gestalt zu geben, ist ein geradezu sinnliches Vergnügen und das lassen wir uns nicht nehmen.

Das Thema “Der Künstler und sein Verhältnis zum Betrachter” würde einen eigenen Vortrag füllen. Daher hier nur eine Anmerkung: Es gibt sie nämlich, die berüchtigte Frage “Was hat sich der Künstler eigentlich dabei gedacht”. Allerdings kann sie alte Hasen in der Kunst nicht mehr erschrecken. Picasso hat 1935 gesagt: “Alle Welt will meine Werke begreifen. Warum versucht man nicht, den Gesang der Vögel zu verstehen, warum liebt man die Nacht und die Blume?”

Man erfühlt es oder nicht, das ist alles. Und das ist meistens so einfach, wenn man sich nur die Zeit nimmt.

Leider können wir das Erfühlen hier nicht an Ort und Stelle üben, denn die Gruppe der bildenden Künstler zeigt ihre Frühjahrsschau zur Zeit im Wilhelm Kempf Haus in Naurod. Dorthin, oder zur großen “75 Jahre GEDOK” – Präsentation in der Villa Clementine in Wiesbaden laden wie Sie alle herzlich ein. Im Herbst folgen noch zwei weitere Ausstellungstermine.

An dieser Stelle muss ich die Gelegenheit ergreifen und für uns ein großes Dankeschön sagen:

Einmal unserem “Motor” Margarete Sorg! Sie treibt an, schafft Möglichkeiten, uns zu präsentieren, uns auseinander zu setzen, voneinander zu lernen, u.s.w..

Auch nicht vergessen will ich natürlich unsere liebe Doris Bambach, die sich ebenso uneigennützig für unsere Gemeinschaft einsetzt. Danke!!

Und natürlich Gundula Berking und Regina Urbach!! Und allen, die sonst auch zupacken. Margaretes heimlicher Stütze, ihrer Tochter – für mich heißt sie immer Margarete 2 – sollte hier auch einmal Danke gesagt werden.

Mit diesen Worten ist nun meine Katze ganz aus dem Sack gekommen. Es ist eben eine kluge Katze, die weiß, wenn Dankesworte kommen, so ist die Rede bald zu Ende.

Gefragt, ob sie jetzt weiß, was es mit der Kunst und mit den Künstlern auf sich hat, sagt sie wie weiland der weise Rabbi:

“Na ja, einerseits – und – na ja, andererseits?!?”

 

Ich danke Ihnen für Ihre Geduld.